Zwölftonmusik
betritt Neuland
Wien, Montag, 1.
Januar 1923
Um die
Jahrhundertwende schienen die Möglichkeiten der tonalen Komposition
weitgehend ausgeschöpft. Als Antwort darauf entwickelte Arnold
Schönberg die Zwölftonmusik.
Das erste Werk
der Zwölftontechnik, Arnold Schönbergs »Fünf Klavierstücke« op.
23, entsteht. Das bürgerliche Konzertpublikum empfindet es in seiner
Mehrheit als Inbegriff seelenloser Kakophonie.
Bei der
Zwölftontechnik wird jedem Musikstück eine zwölftönige Reihe
vorangestellt, aus deren bis zu 44 Umgruppierungen sich das
Tonreservoir der Komposition speist. Um eine Vorherrschaft bestimmter
Töne, wie bei der tonalen Musik, zu vermeiden, darf sich ein Ton
erst dann wiederholen, wenn alle zwölf Töne der Reihe erklungen
sind.
Um die
Jahrhundertwende beherrschte die klassisch-romantische Tradition,
vertreten von den Komponisten Max Reger, Hans Pfitzner, Gustav Mahler
und Richard Strauss die etablierte Musikszene, obwohl
Auflösungserscheinungen des »tonalen«, also des melodisch und
harmonisch üblichen Prinzips unübersehbar waren. Kompositorisch eng
gefasst bedeutet Tonalität die mögliche Gruppierung von Tönen oder
Akkorden um ein Bezugszentrum.
Ab 1903 begannen
Schönberg und seine Schüler, u.a. Alban Berg und Anton von Webern,
die Beziehungen auf einen Grundton, auf ein harmonisches Zentrum hin,
aufzuheben und alle Tonintervalle gleich zu behandeln. Der einzelne
Ton soll gemäß der sog. freien Atonalität »aus den
Vorentscheidungen der Tonalität« befreit werden.
Arnold Schönberg
Der Schöpfer der
Zwölftontechnik (* 13.9.1874) hat mit seinen Werken und
theoretischen Schriften die Kunstmusik des 20. Jahrhunderts
entscheidend geprägt. Schönberg löst in seinem neuartigen
Kompositionsprinzip die tonale Harmonik auf und ermöglicht eine
strukturierte Organisation des musikalischen Materials. Der Komponist
und Kompositionslehrer übersiedelt 1925 von Wien nach Berlin, wo er
als Nachfolger von Ferrucio Busoni die Meisterklasse für Komposition
an der Berliner Akademie der Künste übernimmt. 1933 emigriert er in
die USA. Von 1936-44 hält Schönberg, der 1951 stirbt, eine
Professur an der University of California in Los Angeles.