Versailles: »Der
Friede ist geschlossen«
Paris, Samstag,
28. Juni 1919
Mit dem
Friedensvertrag von Versailles, der am 10. Januar 1920 in Kraft
tritt, wird der Erste Weltkrieg offiziell beendet.
Im Spiegelsaal
des Schlosses von Versailles bei Paris wird der Friedensvertrag
zwischen dem Deutschen Reich und den alliierten Siegermächten
unterzeichnet. Der Vertragsabschluss findet an derselben Stelle
statt, an der am 18. Januar 1871 das Deutsche Kaiserreich proklamiert
wurde.
Die Unterschrift:
Die deutsche Delegation wird geleitet von Reichsaußenminister
Hermann Müller (MSPD) und Reichskolonialminister Johannes Bell
(Zentrum). Um 15.12 Uhr unterschreiben Müller und Bell als Erste den
Friedensvertrag, das Protokoll und die Vereinbarung über die
Besetzung des Rheinlands durch die Alliierten. Anschließend
unterschreiben der Reihe nach die Delegierten der alliierten und
assoziierten Mächte mit Ausnahme Chinas. China lehnt die
Unterzeichnung ab, weil die Friedenskonferenz nicht China, sondern
Japan die deutschen Rechte in Schantung übertragen hat. Südafrika
unterschreibt unter Protest, da seine Regierung eine Mäßigung der
Siegermächte für angemessen hält. Kurz nach 16 Uhr ist die
Unterzeichnung beendet. Der französische Ministerpräsident und
Vorsitzende der Friedenskonferenz, Georges Benjamin Clemenceau, hebt
die Sitzung auf mit den Worten »Der Friede ist geschlossen.«
Der
Friedensvertrag: Das Vertragswerk von Versailles umfasst 15 Teile mit
440 Artikeln und zahlreichen Anlagen. Teil I enthält die
Bestimmungen über die Völkerbundsatzung. Eines der Hauptziele von
US-Präsident Woodrow Wilson war es, den Völkerbund zum untrennbaren
Bestandteil des Vertrags zu machen. Im Unterschied zu den anderen
Unterzeichnerstaaten ist das Deutsche Reich kein Mitglied des
Völkerbundes, die Siegermächte haben seine Aufnahme abgelehnt.
Wiedergutmachung:
Die wirtschaftlichen Bestimmungen treffen das Deutsche Reich hart. In
erster Linie wollen die Sieger Wiedergutmachung für Schäden und
Verluste durch den Krieg in Form von Reparationszahlungen. Das
Deutsche Reich muss den Vertrag unterzeichnen, ohne dass die Höhe
der Zahlungen genau festgelegt worden ist.
Die
wirtschaftlichen Bestimmungen, die zusammen mit dem sog.
Kriegsschuldartikel 231 das Kernstück des Versailler Vertrags
bilden, zielen aber auch auf eine Zerstörung der Grundlagen der
deutschen Wirtschaftsmacht. An Sachleistungen werden vom Deutschen
Reich gefordert die Auslieferung des größten Teils der deutschen
Handelsflotte und die Abtretung fast aller deutschen Strom- und vor
allem Telegrafenkabel sowie Kohle und Kohleprodukte. Darüber hinaus
beschlagnahmen die Alliierten das gesamte deutsche Privatvermögen im
Ausland.
Gebietsabtretungen:
Das Deutsche Reich verliert nach dem Friedensvertrag – unter
Ausschluss der Kolonien – 70 579 km². Ohne Volksabstimmungen
fallen Moresnet und Eupen-Malmedy an Belgien, u.a. Elsass-Lothringen
an Frankreich. Das Saargebiet wird für 15 Jahre der Souveränität
des Völkerbunds unterstellt. An Polen fällt der Hauptteil der
Provinzen Posen und Westpreußen. Dadurch wird der sog. Polnische
Korridor geschaffen, mit dem Polen einen Zugang zur Ostsee erhält.
Der Korridor trennt Danzig und Ostpreußen vom Deutschen Reich.
Volksabstimmungen
sind für Oberschlesien und die west- und ostpreußischen Bezirke
Allenstein und Marienwerder geplant. Danzig wird vom Deutschen Reich
abgetrennt und als Freie Stadt unter den Schutz des Völkerbunds
gestellt. An die Tschechoslowakei fällt das Hultschiner Ländchen
ohne Volksabstimmung, während für Nordschleswig eine
Volksabstimmung vorgesehen ist. Das Memelgebiet muss an die
Alliierten abgetreten werden. Luxemburg scheidet aus dem deutschen
Zollgebiet aus. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wird
verboten. Das Deutsche Reich muss auf alle seine kolonialen
Besitzungen zugunsten der Alliierten verzichten. Die deutsche
Souveränität innerhalb des Deutschen Reichs wird u.a. durch die
Entmilitarisierung des Rheinlandes sowie die Internationalisierung
der großen Flüsse eingeschränkt.
Im Vorfeld der
Vertragsunterzeichnung hatte die deutsche Regierung mit
Gegenvorschlägen erfolglos versucht, die Bedingungen zu mildern. Das
Deutsche Reich wies u.a. die alleinige Schuld am Ausbruch des Ersten
Weltkriegs zurück.