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Kriegsführung erreicht neue Dimensionen
Ypern, Donnerstag, 22. April 1915

Moderne Waffentechnik verleiht dem Krieg ein besonders grausames Gesicht: Dazu gehören u.a. der Einsatz von Giftgas und Angriffe, die sich gezielt gegen Zivilisten richten.
Mit Giftgas greifen deutsche Truppen an der Westfront in Belgien die Schützengräben der Alliierten an. Die britischen und französischen Truppen verfügen nicht über Schutzmasken, so dass 5000 Soldaten sterben, 10 000 erleiden schwere Vergiftungen.
Die Verwendung von Chlorgas ist der erste größere Einsatz von chemischen Kampfstoffen in der Kriegsgeschichte. Zur einzigartigen Grausamkeit des Stellungskrieges in den Schützengräben tragen außerdem neue Entwicklungen wie Maschinengewehre, Flammenwerfer, Schnellfeuerwaffen der Artillerie sowie der Einsatz der ersten Panzer bei.
Giftgas: Die deutsche Oberste Heeresleitung plante den Gasangriff bei Ypern seit Februar, nachdem erste Versuche an der Ostfront wegen ungünstiger Winde wenig erfolgreich verliefen. Wegen dieses Nachteils gehen die Deutschen später zur Verwendung von Gasgeschossen über. Militärtaktisch verfolgt der Einsatz chemischer Kampfstoffe das Ziel, den Gegner zu zwingen, seine befestigten Stellungen aufzugeben.
Wegen seines hohen spezifischen Gewichts steigt das Chlorgas nur etwa eineinhalb Meter hoch und dringt deshalb in die Schützengräben ein. Die Soldaten laufen blau an und husten Blut, eitriger Schaum schießt ihnen aus Mund und Nase. Die Augen treten aus den Höhlen, jeder Versuch eines tieferen Ein- oder Ausatmens löst starke Hustenanfälle bis zur Bewusstlosigkeit oder dem Erstickungstod aus.
Die Alliierten weisen auf den Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung von 1899 und 1907 hin, ehe auch sie ab Ende 1915 Giftgas verwenden. Bis zum Kriegsende setzen beide Seiten 113 000 t chemische Kampfstoffe, darunter Phosgen und Gelbkreuz, ein.
Zeppeline: Am 20. Januar greifen deutsche Luftschiffe erstmals die britische Ostküste an und bombardieren Hafenanlagen und befestigte Küstenstädte. Der Angriff, bei dem mehrere Zivilisten getötet werden, ist nach deutscher Darstellung eine Vergeltung für die britische Seeblockade. Der erste Luftangriff auf Paris findet am 21. März statt. Ab 1. Juni bombardieren deutsche Luftschiffe London. In der englischen Bevölkerung macht sich zunehmende Furcht vor weiteren Angriffen breit.
Der militärische und wirtschaftliche Schaden bleibt jedoch relativ gering. Wegen ihrer großen Verwundbarkeit werden Luftschiffe, die ursprünglich zu Aufklärungszwecken eingesetzt wurden, durch Flugzeuge ersetzt.
U-Boot-Krieg: Als Reaktion auf die Blockade durch England, das die Nordsee am 2. November 1914 zum Sperrgebiet erklärt hatte, kündigt die deutsche Marineleitung am 4. Februar den Beginn des U-Boot-Krieges gegen die Handelsschifffahrt an. Im Kriegsgebiet werde jedes feindliche Handelsschiff zerstört, ohne dass es immer möglich sein werde, die dabei der Besatzung und den Passagieren drohenden Gefahren abzuwenden. Auch für die neutrale Schifffahrt bestehe aufgrund von möglichen Verwechslungen Gefahr, so die Marineleitung. Die Regierung der neutralen USA protestiert am 12. Februar gegen das deutsche Vorgehen. In der deutschen Führung sehen sich Skeptiker in ihrer Befürchtung bestätigt, dass der angekündigte Krieg gegen die Handelsschifffahrt die Neutralen zum Kriegseintritt an der Seite der Alliierten veranlassen könnte.
Am 7. Mai versenkt ein deutsches Unterseeboot vor der Südostküste Irlands den britischen Passagierdampfer »Lusitania«. 1198 Menschen finden den Tod, darunter 120 US-Staatsbürger. In den USA steigert sich die Stimmung gegen das Deutsche Reich in einem Ausmaß, dass zeitweise der Kriegseintritt des Landes droht.
Entgegen den deutschen Propagandaverlautbarungen kann der seerechtswidrige U-Boot-Krieg die Wirtschaft und den Handel Großbritanniens nicht ernsthaft schädigen.
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